17. Oktober 2025 | Anna Radkovic | 0 Kommentare

Wie schützt man einen Wald?

Das ist die Frage, mit der sich A Rocha Kenya in den Dakatcha-Wäldern an der Küste Kenias auseinandersetzt. Das ist die Frage, vor der die Welt steht, während unser Planet eine globale Biodiversitätskrise durchlebt, in der über eine Million Arten vom Aussterben bedroht sind. [1]

Wie schafft man eine widerstandsfähige Landschaft, in der Biodiversität und Menschen gemeinsam gedeihen können?

In Australien war das relativ einfach. Ich habe einige Jahre bei Cassinia Environmental gearbeitet; solange wir genug Geld hatten, konnten wir Land mit einem hochwertigen Lebensraum kaufen, den rechtlichen Status des Landes in Naturschutzgebiet ändern und mit ein wenig Unkrautjäten war die Sache erledigt. Dieses Land war nun auf Dauer für den Naturschutz geschützt. Sofern es keine Naturkatastrophen oder Anarchie gab, konnten wir es einfach sich selbst überlassen. Wir konnten darauf vertrauen, dass die Rechtssysteme, die staatlichen Strukturen und die Einstellung der Bevölkerung zum Eigentumsrecht die biologische Vielfalt dieses Grundstücks schützen würden.

Nicht so in Kenia, dort ist die Lage ganz anders! Der Schutz von Land in Kenia ist kompliziert. A Rocha Kenya kauft seit 2014 Land, um ein Naturschutzgebiet zu schaffen. Die Regierung hat jedoch noch keine Landtitel für die von uns erworbenen Grundstücke ausgestellt. Wir können nur das Recht erwerben, das Land zu besitzen – eine Vereinbarung, die von einem Anwalt beglaubigt wird –, nicht das Land selbst. Ein riskantes Unterfangen. Die Alternative wäre, nichts zu tun, also gehen wir das Risiko ein. Erschwerend kommt hinzu, dass wir nicht von einem einzigen Landbesitzer in einem einzigen Geschäft kaufen, sondern von Hunderten von Landbesitzern mit komplizierten familiären Verflechtungen und Meinungsverschiedenheiten darüber, wem das Land gehört. Nach stunden- und tagelangen Gesprächen mit Cousins, Brüdern und Dorfvorstehern finden wir endlich den offiziellen Eigentümer des Grundstücks. Dieser besitzt vielleicht 100 Morgen Land, möchte aber nur jeweils 10 Morgen verkaufen, um seine Finanzen zu verwalten. Anstatt eines einzigen Geschäfts, um uns die 100 Morgen zu sichern, müssen wir 10 Geschäfte abschließen. Dies erhöht den Zeit- und Personalaufwand, erhöht das Risiko einer Bodendegradation, bevor wir den Kauf abschließen können, und erhöht den Preis für jeden Teil des Grundstücks. Manchmal, wenn ein Preis für das Grundstück vereinbart wurde, aber bevor der Prozess abgeschlossen ist, erfährt ein Cousin oder Neffe des Landbesitzers von dem Geschäft und fällt alle großen alten Bäume, um sie als Holz oder Holzkohle zu verkaufen und sich ein wenig zusätzliches Geld zu verdienen, was unsere ursprüngliche Absicht, das Grundstück zu kaufen, untergräbt.

Endlich besitzt A Rocha Kenia die Rechte an dem Land, die Gemeinde erkennt das Landbesitzrecht an und wir können mit der Bewirtschaftung des Grundstücks zum Zwecke des Naturschutzes beginnen. Die Komplikationen gehen jedoch weiter. In einer Wirtschaft mit wenig Bargeld ist ein Wald für jeden jungen Mann mit einer Kettensäge und einem Motorrad eine große Versuchung, um sich ein bisschen Geld dazuzuverdienen. Wir mussten ein Team von 12 Mitarbeitern einstellen welches unser Land regelmäßig auf illegale Aktivitäten überwacht. Jeden Tag verteilen sie sich über unser Reservat und verhindern, dass Wilderer sich an unseren Ressourcen bedienen. Wir müssen sogar unser Gras schützen. In Kenia wird Vieh überall auf dem Land geweidet. Die Welt steht ihnen offen. Überall, wo es ein bisschen Gras gibt, findet man eine Ziege oder eine Kuh, die daran knabbert. Diese Tiere wissen nicht einmal, was Zäune sind. Was die lokale Gemeinde angeht, so haben wir nichts dagegen, dass sie in unserem Reservat weiden. Wir haben gute Beziehungen zu den meisten Menschen, und die Herden bestehen nur aus 5 bis 15 Tieren. Eine Weidehaltung mit geringen Auswirkungen ist kein Problem, und wir teilen unser Reservat gerne mit der lokalen Bevölkerung – schließlich sind wir als Landbesitzer jetzt Teil der Gemeinschaft.

Es hat sich jedoch herumgesprochen, dass das Gras in Dakatcha gut ist. Seit 2020 strömen Tausende von Tieren in unser Schutzgebiet. Schafe, Ziegen, Kühe und Kamele zerstören die Landschaft, vernichten die Ernten der Gemeinden und bedrohen die geschützte Artenvielfalt. Dutzende von Hirten aus dem Norden bringen nun jedes Jahr ihr Vieh zum Weiden in diese von uns geschützte Grünfläche. Der Klimawandel führt dazu, dass der Norden Kenias von Jahr zu Jahr trockener wird, sodass die Hirten und ihr Vieh auf der Suche nach Futter aufbrechen. Die zunehmende Privatisierung von Land, eine wachsende Bevölkerung und das Fehlen einer nationalen Landnutzungsstrategie bedeuten, dass den Hirten nicht mehr viele Flächen zur Verfügung stehen. Ihre traditionelle Lebensweise wird immer schwieriger. Konflikte mit anderen Gemeinden zwangen sie dazu, auf der Suche nach Futter für ihre Herden weiterzuziehen. Und jetzt sind sie in unserer Heimat. Wir haben versucht, uns mit ihnen zu treffen, mit ihnen zu sprechen und ihnen zu erklären, dass sie unbefugt unser Land betreten, aber sie wollen nicht hören. Sie wollen nicht gehen. Die Gemeinde ist frustriert, und die Situation wird zunehmend angespannt und gewalttätig. Letzte Woche haben wir 32 Polizisten rekrutiert, um 16 verschiedene Gruppen von Hirten und Tausende von Tieren aus unserem Reservat zu entfernen. Wohin werden sie gehen? Wir wissen es nicht, aber alle sind sich einig, dass sie nicht hierbleiben können.

Der Schutz unseres Waldes ist kompliziert.

Es ist nicht einfach, dieses Land, das uns anvertraut wurde, zu verwalten. Es ist ein chaotisches Flickwerk aus bedrohten Bäumen, gefährdeten Tieren und schutzbedürftigen Menschen. Wie sieht es für A Rocha aus, diesen Wald zu schützen? Als Naturschützer, ja, aber in erster Linie als Christen, denen die Natur und die Menschen am Herzen liegen. Wie lieben wir unseren Nächsten, wenn unser Nächster mit Tausenden von hungrigen Tieren kommt? Wie verteidigen wir die Sache der lokalen Gemeinschaft und der bedrohten Bäume UND der Hirten – die alle in Gefahr sind und um ihr Überleben kämpfen, deren Interessen jedoch miteinander zu kollidieren scheinen? Wie können wir Menschen des Friedens, der Liebe und der Großzügigkeit sein? Wie kann Gottes Reich in Dakatcha kommen, auf Erden wie im Himmel? Wie können wir unser Schutzgebiet schützen und es anderen als Segen anbieten? Wie sieht es aus, wenn der auferstandene Erlöser Jesus der Herr von Dakatcha ist? Wie sieht es aus, wenn wir an diesem Ort sein Volk sind?

Betet für uns, während wir unseren Wald schützen. Wir schützen ihn, damit die Sokoke-Zwergohreule einen sicheren Lebensraum hat. Wir schützen ihn, damit die Gemeinde eine Landschaft mit gesunden Ökosystemleistungen hat. Wir schützen ihn, damit die afrikanische Küste ihren ursprünglichen, von Gott geschaffenen Lebensraum behält. Wir schützen ihn, damit die Welt natürliche Räume hat, die die Herrlichkeit Gottes widerspiegeln. Wir schützen ihn, um Christus zu verehren, der ihn geschaffen hat, ihn erhält und erlöst. Von hungrigen Rindern über fehlenden formellen Landschutz bis hin zur zunehmenden Wüstenbildung aufgrund des Klimawandels – die Herausforderungen im Kleinen wie im Großen scheinen schwerwiegend und weit außerhalb unserer Kontrolle zu liegen. Betet dafür, dass wir alle Herausforderungen, egal welcher Größe, in Gottes fähige Hände legen und als sein Volk unseren Teil dazu beitragen, seinen Wald zu schützen.

[1] Laut der globalen Bewertung der IPBES (2019).
Der Living Planet Index (WWF) zeigt einen durchschnittlichen Rückgang der überwachten Wildtierpopulationen um 69 % seit 1970.

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