30. Oktober 2022 | Mark Nam | 0 Kommentare

‚Haushalterschaft‘ oder Yin-Yang? Ostasiatische Theologie und eine biblische Umweltethik

Seit ich in der Kirche von England ordiniert wurde, bin ich mir der Notwendigkeit bewusst, einen theologisch robusten und einzigartig christlichen Ansatz zur Bewältigung der Klimakrise anzubieten. Daher macht es mir Sorgen, wie viel Gewicht auf das Konzept der „Haushalterschaft“ [engl. Stewardship] gelegt wird, um eine biblische Umweltethik zu konstruieren.

Laut R. J. Berry ist Haushalterschaft „die allgemeine Grundhaltung in christlichen Gruppen“[1] geworden, was sicherlich für einen Großteil der Kirche des Klerus gilt. Im Bericht „Sharing God’s Planet“ von 2005 heißt es:

Der biblische Begriff für die Beziehung des Menschen zur Schöpfung lautet „Haushalter“. Ein Haushalter ist ein Diener, der in Beziehung zu Gott steht, in dessen Namen er die Herrschaft ausübt.[2]

Dies stellt uns vor ein Problem. Wie David John Atkinson feststellt, wird der Begriff „Haushalterschaft“ in der Bibel nie im Zusammenhang mit der Schöpfung verwendet.[3] Clare Palmer fügt hinzu, dass wir, selbst wenn wir erfolgreiche Haushalter sein wollen, verstehen müssen, was wir kontrollieren. Doch angesichts der Komplexität der Ökosysteme und der Klimabedingungen ist dies einfach nicht möglich.[4] Richard Bauckham geht sogar so weit zu behaupten, dass Haushalterschaft ein anmaßender Versuch ist, etwas zu tun, was die Schöpfung viel besser kann.[5] Angesichts dieser heftigen Kritik an der Haushalterschaft stimme ich mit Paulos Gregorios überein, wenn er schreibt:

Den Begriff der Herrschaft durch den Begriff der Haushalterschaft zu ersetzen, wird uns nicht sehr weit bringen, denn auch in letzterem liegt die Möglichkeit der Versachlichung und Entfremdung verborgen, die die Grundursachen für die Krankheit unserer Zivilisation sind […]. Wir würden die Natur immer noch auf ’nichts als‘ reduzieren, d.h. auf nichts anderes als ein Objekt, das uns zur sicheren Bewahrung und guten Bewirtschaftung in die Hände gegeben wurde.[6]

Trotz unserer besten Absichten trennt der Begriff Verwalterschaft den Menschen vom Rest der Schöpfung. Es ist eine Form des dualistischen Denkens, das die Versachlichung der Schöpfung zum Nutzen des Menschen fortführt.

Als jemand mit chinesischer Herkunft bin ich sehr daran interessiert zu erkunden, was ostasiatische Perspektiven in die Diskussion einbringen können. Der Klimawandel ist ein globales Problem und erfordert daher globale Lösungen. Wir müssen auf andere Stimmen hören, und ich glaube, dass die ostasiatische Kultur eine alternative Sprache und einen solideren theologischen Ansatz für die Bewahrung der Schöpfung bietet als „Haushalterschaft“.

Yin-Yang als eine mögliche Kategorie des theologischen Denkens

Bereits in den 1980er Jahren schlug Jun Young Lee vor, die Yin-Yang-Symbolik als alternative Kategorie des theologischen Denkens zu übernehmen.[7] Yin-Yang stellt für viele Ostasiaten eine normative Weltsicht dar und hat seinen Ursprung im Konfuzianismus. Lee weist darauf hin, dass der Hauptunterschied zwischen dem Konfuzianismus und westlichen Denkweisen darin besteht, dass der Konfuzianismus die „Gültigkeit der Mitte“ nicht ausschließt, im Gegensatz zu Ansätzen wie „Haushalterschaft“, die von einem dualistischem Denken geprägt sind.

Das Yin-Yang-Denken ermöglicht die Versöhnung der gegensätzlichen Elemente, wodurch ein tiefes Gefühl der Verwandtschaft zwischen Mensch und Natur entsteht. Diese Neugestaltung der Beziehungen durchbricht die der Haushalterschaft innewohnende Kluft zwischen Mensch und Natur. Wie Ian C. Bradley bemerkt, ist dieses Gefühl des Einsseins zwischen den Menschen und dem Rest der Schöpfung ein wichtiges Korrektiv zur Vorstellung, dass die Menschheit in die Welt gesetzt wurde, um die Natur zu beherrschen – oder in unserem Fall – zu verwalten.[8]

Bei der Suche nach einer geeigneten biblischen Hermeneutik – und in Anlehnung an die Yin-Yang-Symbolik – fühle ich mich zu der in Genesis 2,7 beschriebenen symbiotischen Beziehung zwischen Mensch und Schöpfung hingezogen. Im alten Nahen Osten zeichnete sich ein erfolgreicher Herrscher dadurch aus, wie gut er die königlichen Gärten pflegte, die dem Garten Eden nachempfunden waren. Ein guter Herrscher war ein guter Gärtner, der in Harmonie lebte und eins mit dem Land war.

Diese harmonische Beziehung wird mit der Einführung der Sünde in Genesis 3 zerstört, als die Menschheit aus dem „Garten“ vertrieben wird. Die Schöpfung verliert ihren königlichen Gärtner. Ich betone das Motiv des Gärtners, denn im Johannesevangelium, das die Schöpfungserzählung als Rahmen verwendet, lesen wir, dass ein anderer „königlicher Gärtner“ in die Welt gekommen ist, und sein Name ist Jesus Christus.

In Johannes 20 lesen wir, dass Maria Magdalena Jesus am Morgen nach seiner Auferstehung begegnet. Die alte Schöpfung, symbolisiert durch das leere Grab, weicht der neuen Schöpfung, symbolisiert durch den Garten. Als Maria Jesus zum ersten Mal sieht, hält sie ihn für „den Gärtner“ (V. 15). Auf den ersten Blick ist dieses Detail ein Fehltritt von Maria. Aber in Wirklichkeit zeigt Johannes hier ein tiefes Verständnis Marias. Der Mann, der vor ihr steht, ist der Gärtner – der königliche Gärtner der neuen Schöpfung, der zurückgekehrt ist. Ein Gärtner, der die Vereinigung der gegensätzlichen Elemente – Göttlichkeit und Menschlichkeit, Leben und Tod – verkörpert, ein königlicher Gärtner, der die Prinzipien von Yin und Yang verkörpert!

Diese neue Realität hat tiefgreifende Auswirkungen auf diejenigen von uns, die sich als Christen bezeichnen. Als Bürgerinnen und Bürger des Reiches Gottes sind auch wir aufgerufen, an dem fortlaufenden Schöpfungs- und Erlösungsprozess teilzunehmen. Der wiedergeborene Gärtner aus Genesis 2 – Jesus – ruft seine Untertanen – die erneuerte Menschheit aus Genesis 1 – dazu auf, unsere Identität als königliche Gärtner anzunehmen.

Ich bin davon überzeugt, dass das Bild des Gärtners/Königs einen besseren theologischen Ansatz für Umweltfragen bietet als der von den Befürwortern der Haushalterschaft propagierte. Aus hermeneutischer Sicht sind gärtnerische Themen durch die gesamte Heilige Schrift hindurch verwoben und gipfeln im auferstandenen Christus im Johannesevangelium. Diese Meta-Erzählung ist wesentlich überzeugender als alle Versuche, die Umweltethik unter den Begriff der Haushalterschaft zu zwängen, der, wie bereits erwähnt, nie im Zusammenhang mit der Schöpfung verwendet wird.

In einer globalisierten Welt, in der es wichtig ist, eine gemeinsame Sprache zwischen den Kulturen zu entwickeln, ist die landwirtschaftliche Symbolik universeller in ihrer Attraktivität und Anwendung. Außerdem kann das Konzept der Haushalterschaft nur von denen wirklich verstanden werden, die „besitzen“, im Gegensatz zu denen, die „nichts besitzen“. Das Privileg der Haushalterschaft ist in erster Linie den Mächtigen vorbehalten. Ist es da verwunderlich, dass die Sorge um die Umwelt als ein Anliegen der Mittelschicht bezeichnet wurde? Die Verwendung einer neuen Sprachregelung beseitigt diese Barrieren und kann dazu beitragen, die Menschheit zusammenzuführen, damit sie eins wird miteinander, eins mit der Schöpfung und ein Volk unter Gott.

 

[1] R.J. Berry, Environmental Stewardship: Critical Perspectives, Past and Present (London; New York: T&T Clark, 2006), 185.

[2] Church of England Report, ‘Sharing God’s Planet’ (Church House Publishing, 2005), 26.

[3] David John Atkinson, Renewing the Face of the Earth: A Theological and Pastoral Response to Climate Change (Norwich: Canterbury Press, 2008), 63.

[4] Clare Palmer, ‘Stewardship: A Case Study in Environmental Ethics’, in: Environmental Stewardship: Critical Perspectives – Past and Present, ed. R.J. Berry (London ; New York: T&T Clark International, 2006), 12.

[5] Richard Bauckham, Bible and Ecology: Rediscovering the Community of Creation (London: Darton Longman & Todd, 2010), 11.

[6] Gregorious, ‘The Human Presence’, 84.

[7] Lee, ‘T Lee, Jung Young. ‘The Yin-Yang Way of Thinking’. In: Asian Christian Theology: Emerging Themes, edited by Douglas J. Elwood, Rev. ed. of What Asian Christians are thinking. Philadelphia: Westminster Press, 1980., 85.

[8] Ian C. Bradley, God Is Green: Ecology for Christians (New York: Image, 1992), 19.

 

Übersetzt von Jan Decher

 

Mark Nam ist ein britisch-chinesischer anglikanischer Priester in der Diözese Bristol. Er ist der Gründer von The Teahouse, einer Gruppe, die die Sichtbarkeit und Beteiligung von Geistlichen chinesischer Herkunft in der Kirche von England erhöht. Mark arbeitet regelmäßig für BBC Radio und hat für das Preach Magazine geschrieben. Er ist auf Facebook, Twitter und Instagram als @marknam zu finden.

Kategorien: Reflexionen
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